2006–2017

7. Januar 2018

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Vor etwa drei Monaten habe ich meine Diplomarbeitvortrag gehalten und wurde danach offiziell exmatrikuliert. Somit ist der elf Jahren lange Studium endlich mit Erfolg abgeschlossen! Ich bin jetzt offiziell Diplom-Informatiker (Dipl.-Inform.). Ein Blick zurück, nach akademischen Jahren aufgeteilt (jeweils vom 1. Oktober bis 30. September):

Das erste Jahr — ich habe fleißig fast alle Hausaufgaben gemacht, dabei 50% der Punkte der Übungsblätter sowohl in Lineare Algebra als auch in Höhere Mathematik (Analysis) gesammelt (Pflicht war nur das eine von beiden). Informatik II war in unserem Jahr auch sehr schwierig, mit einer Durchfallsquote von über 50%, und ich hatte da eine 1.7. Informatik I vom Semester davor war hingegen leicht und ich hatte eine 1.0, die letztendlich die einzige fürs gesamte Studium geblieben ist. Ich habe einen Praktikum gemacht, der für die zweite Phase des Studiums gelten sollte. Ab Januar, also drei Monate nach Studienanfang, habe ich angefangen an einem Institut als Hilfswissenschaftler zu arbeiten, für ca. 40 Stunden pro Monat. Außerdem habe ich meinen ersten und bis jetzt einzigen Marathonlauf abgeschlossen; darüber schreibe ich in einem späteren Eintrag. Das müsste das produktivste Jahr meines Lebens gewesen sein...

Das zweite Jahr — ich war vom vorigen Jahr sichtbar übermüdet und wurde schon vom Anfang des Jahres von quälender Einsamkeit verfolgt, in Gezeiten sogar bis heute noch. Das Jahr hat mit meinem ersten ICPC-Wettbewerb angefangen, bei dem wir mit dem Nachwuchsteam den Erwartungen entsprechend nichts besonderes geschafft haben. Ich war zwischen Studium, Job (habe sogar noch einen angefangen, als Tutor beim ICPC-Praktikum) und die Vorbereitung auf das nächste ICPC getrennt. Trotz der persönlichen Schwierigkeiten habe ich an allen Fronten die Zielen erreicht. Ich habe mein Vordiplom abgeschlossen, was nur die erste von beiden Phasen des Studiums ist, kein Abschluss an sich. Zwei Jahre ist die Regelstudienzeit dafür, maximal sind drei erlaubt. Von den älteren bulgarischen Studenten hat es kaum jemand in zwei Jahren geschafft, den Deutschen ist es einfacher, weil sie in der Schule viel mehr Mathe lernen. In unserem Jahrgang haben es die meisten aber schon geschafft. Meine Noten waren mit im Durchschnitt 3.4 ziemlich schlecht; fürs Vordiplom war es aber egal, weil es für die Endnote nicht berücksichtigt wird. Ab dem nächsten Jahr war es aber wichtig.

Das dritte Jahr — ganz gut angefangen; diesmal mit einem stärkeren Team beim ICPC in November, wir haben Bronzemedaillen gewonnen. Ich musste fünf aus acht Wahlpflichtfächer machen, wovon ich dieses Jahr vier geschafft habe, neben Job und ICPC-Training fürs nächste Jahr. Die Noten waren um die 2. Soweit war ich innerhalb der optimistischen Regelstudienzeit von neun Semester. Durchschnitt war 12.

Das vierte Jahr — nun fing mein Studium an, sich in der Zeit zu strecken. Ich musste nur noch ein Wahlpflichtfach machen, wollte aber alle machen, um meine Note zu verbessern, da die besten fünf berücksichtigt wurden. Ich habe letztendlich drei dieses Jahr gemacht, also insgesamt sieben, und den achten habe ich kurz vor der Prüfung aufgegeben, da ich sie offensichtlich mit keiner guten Note bestehen konnte. In diesem Jahr bin ich zum ersten Mal bei einer Prüfung während des Studiums durchgefallen (früher habe ich die Fahrprüfung einmal nicht bestanden), und zwar Formale Systeme, was eigentlich als relativ leicht galt. Zum Bestehen waren 20 Punkte notwendig, und ich hate 19.5. Die Sache ist, wenn man besteht, kann man die Note nicht mehr verbessern, und das Institut hat mir die Wahl gegeben — entweder gehe ich zur Klausureinsicht und finde, wo sie mir „versehentlich“ zu viele Punkte abgezogen haben, oder eben die Prüfung nochmal machen und vielleicht mit einer guten Note bestehen. Ich habe die Möglichkeit genutzt. Ich habe meinen Hiwi-Job verlassen und bei einer Firma angefangen, wo es aber nicht funktioniert hat, danach bei einer anderen. Ich habe meinen Studienarbeit begonnen, bin allerdings nicht sehr weit damit gekommen, außerdem Vorlesungen für die Vertiefungsfächer besucht, die ich später prüfen lassen wollte. Schwarz auf Weiß bin ich aber dieses Jahr lediglich nur ein Wahlpflichtfach näher zum Abschluss gekommen.

Das fünfte Jahr — am Anfang eine große Enttäuschung bei meinem letzten ICPC, bei dem wir mit Silbermedaillen auskommen mussten und die Chancen für Gold verpasst haben. Ab der zehnten Klasse in der Schule habe ich viel Zeit in Programmierwettbewerben investiert und jetzt war es plötzlich Schluss damit, da ich wegen der Altersbegrenzung nicht mehr teilnehmen durfte. Ich habe eine seltsame Leere gefühlt — was Jahren lang ein wichtiges Teil meines Lebens war, war plötzlich nicht mehr da. Ich habe sie bald gefüllt indem ich der akademischen Fliegergruppe (Akaflieg) beigetreten bin, wo wir Segelflugzeuge entwickelt, gebaut, gewartet und geflogen haben. Die Enttäuschung vom Wettbewerb war dadurch kaschiert, dass ich eine Praktikantenstelle bei Facebook bekommen habe, für drei Monate ab August. Ich habe im ersten Semester die Studienarbeit fertiggestellt, habe Vorlesungen für die Vertiefungsfächer besucht und wollte den einen vor dem Praktikum prüfen lassen, konnte aber nicht, weil ich nicht verstanden hatte welche Vorlesungen zählen und hatte am Ende nicht genug.

Das sechste Jahr — es hat mit dem dreimonatigen Praktikum angefangen, und dank des daraus eingesparten Geldes musste ich nicht arbeiten, habe aber viel Zeit in der Akaflieg-Werkstatt verbracht. An meinem 25. Geburtstag bin ich angeflogen, mit einem Fluglehrer, natürlich! Ich habe als Ergänzungsfach Kraftfahrzeugtechnik gemacht, sowie einen Seminar. Die Vertiefungsfächer habe ich nochmal verschoben. Im Endeffekt wären die Leistungen aus diesem Jahr und die vorigen beiden in einem Jahr machbar gewesen, wenn man sich nicht von Programmierwettbewerben, Jobs und Segelflugzeugen ablenken lässt. Außerdem war ich oft deprimiert und einsam und hatte keine Kraft, irgendwas nützliches zu schaffen. Dem Mythos von den freudvollen Studienjahren entgegen, hatte ich fast alle Liedtexte meines Depressed-Playlists auswendig gelernt. Am Ende des Jahres bin ich wieder nach Amerika für ein Praktikum geflogen und zwei Wochen später ist mein Vater an einem plötzlichen Herzinfarkt gestorben. Ansonsten war das Praktikum sehr erfolgreich und ich habe ein Jobangebot bekommen und akzeptiert. Ich wollte im kommenden Jahr alles übrige vom Studium schaffen — die beiden Vertiefungsfächer, ein Seminar oder Praktikum (weil diese bei Facebook nicht fürs Studium anerkannt werden konnten), und die Diplomarbeit.

Das siebte Jahr — mit dem ausgezeichneten Job, den ich bereits gesichert hatte, ist das Studium eher zu eine Last geworden. Trotz mangelnder Motivation musste ich das doch zu Ende führen. Ich habe nicht mehr gearbeitet und habe Akaflieg verlassen, da ich keine Zeit für die Werkstattarbeit mehr hatte. Ich habe im ersten Semester das erste Vertiefungsfach prüfen lassen (Parallele Verarbeitung) und im zweiten das zweite (Algorithmentechnik) und ein Seminar. Die Noten der Vertiefungsfächer ließen zu wünschen übrig — 2.3 und 2.7. Mit dem gesicherten Job nach dem Studium war es objektiv ohne Bedeutung. Im zweiten Semester habe ich mit der Diplomarbeit angefangen, mit der Absicht, sie bis zur Abreise fertigzustellen, was ich aber nicht geschafft habe. Eine Aufgabe aus der Implementierung hat sich als viel schwieriger erwiesen und ich bin da lange hängengeblieben. Ich hate keine Motivation und war oft mit dem Motorrad spazierenfahren. Es war ein Fehler, dass ich es so früh gekauft habe, obwohl ich sonst vielleicht eine andere Verschleppungstaktik genutzt hätte.

Das achte Jahr — schon am Anfang bin ich nach Amerika umgezogen. Vom Studium war mir nur die Diplomarbeit übrig, mit der es aber gar nicht gut ging. Mit allen organisatorischen Sorgen um den Umzug herum war ich bereits am Anfang übermüdet. Meine Idee, abends und an Wochenenden an der Diplomarbeit zu arbeiten hat nicht funktioniert, einfach weil ich keine Kraft mehr hatte. Trotz dreimonatiger Verlängerung habe ich die Frist verpasst. Wir haben es mit den Betreuern abgemacht, dass ich weiterarbeite und wir die Arbeit neu anmelden, mit einem anderen Titel.

Das neunte Jahr — die Diplomarbeit ging sehr langsam weiter. Immerhin habe ich ihr genug Zeit und Energie gewidmet um die Arbeit bei Facebook negativ zu beeinflussen. Ich wurde im Januar gekündigt und durfte in den USA nicht mehr bleiben. Ich bin nach Bulgarien umgezogen. Habe gedacht, dass ich nun wenigstens ruhig an der Diplomarbeit arbeiten konnte, das ging so aber nicht. Ich war extrem müde und verzweifelt, da ich bei beidem gescheitert bin, was im vorigen Jahr mir wichtig war. Ich habe Wochen gebraucht für Sachen, die ein einem Tag machbar wären. Inzwischen hat mein Betreuer promoviert.

Das zehnte Jahr — es ging weiter mit der Diplomarbeit. Ich hatte den Code zu einem hässlichen Zustand gebracht und Anpassungen für Experimente waren schwierig. Der Betreuer hat die Universität verlassen und hatte zwar zugesagt, mir weiterzuhelfen, hatte aber ganz wenig Zeit dafür, und es gab keinen anderen im Institut, der sich hinreichend auskennt. Letztendlich habe ich ihm eine Version geschickt, die aber sehr schlecht war, und wir haben entschieden, ich lasse das Thema und suche ein neues. Es war zwar schade, dass so viel Arbeit verloren gegangen ist, ich war aber sehr erleichtert. Mit einem neuen Thema hätte ich auch wieder die Motivation und Begeisterung. Nach eineinhalb Jahren Sorgen und Zeitverschwendung habe ich mich eine richtige Pause gegönnt, mit dem Motorrad kreuz und quer durch Europa reisend, mit insgesamt 18 Iron Maiden Konzerten.

Das elfte Jahr — wir hatten eine Frist bis zum Ende des akademischen Jahres am 30. September fertig zu werden (für mich hieß es — Diplomarbeit abzugeben), da der Diplomstudiengang ausläuft. Ich habe erst gegen Ende des ersten Semesters ein Thema bekommen und habe es für sechs Monate ausgearbeitet und abgegeben. Die Arbeit hätte besser sein können, ist mir aber längst egal... Hauptsache, Schluss!

Nächste Woche: Nachwort.